LNVL - Lëtzebuerger
Natur- a Vulleschutzliga asbl
Veröffentlicht in Regulus (ISSN 1727-2122)
1958/4 S. 71-75
Haubentaucherzug.
Die Nacht vom 22. auf den 23. November 1957 brachte die Möglichkeit
der Beobachtung einer phänologischen Erscheinung, wie sie bis jetzt
am Haubentaucher noch nicht innerhalb unseres Gebietes notiert werden konnte.
Es handelt sich um einen massiven Zug dieser Vogelart, der dank der
Meldungen von privater Seite an das staatliche Museum und an uns, nur unter
tatkräftiger Mitarbeit der Naturh. Abteilung dieser Anstalt zur vollen
Auswertung kommen konnte.
Die Mitteilungen erstrecken sich (vom Norden zum Süden) über
die ganze Länge unseres Landes.
Die Wetterlage, die beim Zuggeschehen von Wichtigkeit sein kann, ergibt
folgendes:
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21. November 1957. Hoher Druck mit Kern über Weißrußland
erstreckt seine Ausläufer bis nach Westeuropa. Bei leichtem Ostwind
und Temperaturen unter Null Grad ist der Himmel tagsüber bedeckt.
Die Sichtverhältnisse sind mäßig. Der Boden bleibt trocken.
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22. November.
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In der Nacht zum 22. November schiebt sich unter Druckfall und zunehmender
Diesigkeit, eine atlantische Störungslinie über Nordwestfrankreich
und die Beneluxländer in Richtung Dänemark.
-
Die Wolkendecke sinkt im Laufe des Vormittags herab.
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Von 14.30 Uhr fällt Schnee, in immer dichter werdenden Flocken bis
22 Uhr. Die Tagestemperaturen fallen.
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Am Abend erreicht die Schneedecke eine Höhe von 4 cm: der Schnee ist
matschig-weich, schmilzt aber nicht. Der Wind wechselt über Süd
nach Südwest.
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23. November. Eine atlantische Hochdruckzelle drängt, von den britischen
Inseln kommend, zum Kontinent.
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In der Nacht zum 23. steigt das Barometer und die am Boden liegende Kaltluft
begünstigt morgendliche Nebelbildung.
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Diese wird am Vormittag durch Föhnwirkung rasch verjagt. Die Lufttemperatur
steigt über Null Grad und erreicht am Mittag plus 4°. Tauwetter
setzt ein, der Schnee schmilzt rasch.
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Der Föhn wird am Abend durch kältere Luft abgebremst, wirkt aber
am folgenden Tage nachhaltig weiter.
(Mitgeteilt von unserem meteorologischen Mitarbeiter).
Über die Zugweise wird berichtet, daß sie nur nachts vor sich
gehe und bei plötzlichem Kälteeinbruch Massenzug einsetzte.
Zur Orientierung unserer Leser über den Herbstzug seien hier folgend
einige diesbezügliche Angaben aus der Literatur zitiert :
Unregelmäßiger Durchzügler und Wintergast.
(Morbach J . Fauna Avium Luxemburgensis, s. 24)
Lors d'une vague de froid on observe des déplacements tardifs
et parfois massifs d'oiseaux en quête d'eau libre.
(Lippens L . Les oiseaux d'Eau de Belgique, p. 137)
En octobre, novembre et décembre la migration entraîne
les grèbes huppés vers le sud; par étapes nocturnes
ils gagnent leurs quartiers d'hiver et beaucoup se rendent sur les côtes
de la mer. Ce sont la surtout des hôtes du Nord de l'Europe, car
les indigènes de nos régions (suisses) semblent en partie
sédentaire. Tout l'hiver l'influence des vents et du froid dirige
leurs mouvements erratiques.
(Géroudet. Les Palmipèdes p. 131.)
Der Haubentaucher wandert wie alle Lappentaucher ausschließlich
nachts. In ganz Mitteleuropa ist der Zug nicht sehr auffallend. Die Richtung
ist vorwiegend Südost, doch sind auch Meldungen über Südwest
und Südzug bekannt geworden.
(Niethammer. Handbuch der deutschen Vogelkunde. Band III. Seite 19.)
Bei genauem und täglichem Beobachten bemerkt man, daß
sie ihre Rückreise nie in größeren Gesellschaften, wohl
aber die Abreise im Herbst so machen. Man sieht solche dann an manchen
Orten nach und nach oft bis zu 50-60 oder noch mehr Individuen anwachsen,
hin und herflattern, sich necken und dergleichen, tags darauf aber nicht
einer mehr an solcher Stelle. Sobald es zu dunkeln anfängt, erheben
sich alle mit viel Geräusch in die Luft, und die Schar verschwindet
im Dunkel der Nacht, anscheinend ihren Zug nach Süden richtend.
(Naumann. Band XII S. 67.)
Le grèbe huppé, répandu sur les côtes
maritimes, les lacs et les étangs du Nord de notre continent, nous
visite irrégulièrement, en automne, du commencement de septembre
à la fin de décembre ou le commencement de janvier, mais
en décembre principalement; et au printemps, de la fin de mars au
commencement de mai. Il voyage solitaire et de nuit.
Passage d'automne.
Arrivée.
9 septembre 1891.
Départ.
10 décembre 1863,
12 décembre 1865,
2 décembre 1867,
10 décembre 1868,
2 janvier 1875,
6 décembre 1884,
16 décembre 1888.
En moyenne: 12 décembre;
au plus tôt: 2 décembre;
au plus tard 2 janvier;
écart: 31 jours.
(Alph. de la Fontaine. Trente années d'observation 1863-1894,
p. 192.)
Unsere Beobachtungen bestätigen sowohl den Zugmodus (nachts), den
plötzlich durch Witterungseinflüsse bedingten Zug (Massenzug),
sowie die Zugrichtung (Nord-Süd).
-
Der Haubentaucher bewohnt ganz Europa, geht nördlich bis Schottland,
Mittelschweden, Finnland und das nördliche Rußland; weiter Nordafrika,
Mittelasien bis zur Mandschurei.
-
Andere Unterarten leben in Afrika, südlich der Sahara, Australien
und Neuseeland. (nach Géroudet).
-
In Deutschland ist er an allen Seen und größeren Teichen, an
denen Ufervegetation vorhanden ist, Brutvogel, meidet aber die spät
eisfrei werdenden Teiche in höheren Lagen.
-
Auf ungefähr 40 Brutpaare schätzt Lippens die Zahl der Haubentaucher
in Belgien.
-
Im nahen Lothringen haben unsere Beobachter ihn auf allen besuchten Weihern
während der Brutzeit festgestellt.
-
Notgedrungen muß er auf luxemburgischem Gebiete fehlen und kommt
nur als Zugvogel zur Beobachtung. Trotzdem steht er auf der Liste der Jagdvögel.
Die Nahrung des Haubentauchers besteht aus Fischen, dann aus vielen Wasserinsekten,
Kaulquappen, Mollusken usw. Der ganze Körperbau verrät den typischen
Wasserbewohner und ist der Lebensweise in und auf dem Wasser hervorragend
angepaßt. Die Beine setzen weit hinten am Körper an. So gewandt
wie er beim Schwimmen und Tauchen ist, so unbeholfen watschelt er auf dem
Land umher, wo er sich ungern aufhält. Auch das Fliegen ist nicht
seine Stärke. Der Flug ist schnurrend, dabei werden Hals und Beine
weit ausgestreckt; die Flughöhe ist normalerweise gering. Zum Auffliegen
benötigt er einen größeren Anlauf und es war angenommen
worden, daß er auf dem Lande nicht starten könne. Géroudet
berichtet jedoch nach Alfred Richard, daß er wohl vom Lande aus dazu
befähigt sei, falls ihm eine ebene Startfläche von 18 Metern
zur Verfügung stände.
Der Fang war deshalb mit einer gewissen Leichtigkeit verbunden, der
noch durch den Nachtfrost erleichtert sein konnte, da ein gefangenes Stück
die Füße vereist hatte.
Die gemeldeten und eingebrachten Funde sind:
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Ulflingen. Ein Exemplar, tot aufgefunden und an das Museum, Naturhistorische
Abteilung, eingesandt.
-
Wiltz. Ein Exemplar lebend bei der früheren Gerberei Lambert
von einem Eisenbahnbeamten gefangen. Nach einem Tag Gefangenschaft wurde
es, »weil es nicht fraß«, auf der Sauer bei Göbelsmühle
ausgesetzt (mitgeteilt von Herrn Jos. Thein, Wiltz).
-
Kleinbettingen. Zwei Exemplare.
-
1. Exemplar lebend gegen 8 Uhr morgens an der Eisenbahnstrecke Luxemburg-Arlon
scheinbar unverletzt von einem Eisenbahnbeamten gefangen; wurde dort abgeholt.
-
2. Exemplar gegen 12 Uhr mittags lebend in verletztem Zustande von demselben
Eisenbahnbeamten an ungefähr derselben Stelle gefunden. Dieser Vogel,
der noch Eis an den Füßen hatte, mußte getötet werden,
da der linke Fuß ganz gebrochen war und nur noch durch die Sehnen
am Körper festgehalten wurde. Aller Wahrscheinlichkeit nach verunglückte
er an der elektrischen Drahtleitung der Eisenbahn.
-
Steinfort. Zwei Exemplare.
-
1. Exemplar (Weibchen) wurde an der belgisch-luxemburgischen Grenze, etwa
400 Meter von der Eisenbahn mit Verletzungen am Kopfe gefunden und ging
ein.
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2. Exemplar wurde in der »Kolonie« Steinfort mit Verletzungen
am linken Bein von Herrn Kieffer lebend aufgefunden (soll von einem Auto
angestoßen worden sein) u. bis zur gänzlichen Gesundung gepflegt.
- Hr. Kieffer berichtet über seine liebevolle Mühe den Vogel
zum Fressen zu bringen. Er bot ihm anfangs Sardinen an, die jedoch wie
erwartet, verschmäht wurden. Ein weiterer Versuch mit Schellfisch
(Merlan) hatte zuerst auch keinen Erfolg, die Annahme gelang aber später.
Zur Abwechselung des Speisezettels reichte man Crevetten, die gerne gefressen
und von denen drei Stück pro Tag verfüttert wurden. Nach seiner
gänzlichen Heilung wurde der schon fast zum Haustier gewordene Vogel
im Dezember 1957 ausgesetzt.
-
Luxemburg-Stadt. Fünf Exemplare.
-
1. Exemplar (Männchen) wurde lebend beim Dispensaire Prince Charles,
inmitten der Stadt, lebend gegriffen und im Naturhistorischen Museum abgeliefert,
ging später ein.
-
2. Exemplar wurde auf dem städtischen Friedhof (Nekloskirfecht) von
Arbeitern gefangen und später vom Museum, Abteilung Naturhistorik,
dort abgeholt.
-
3. Exemplar wurde von Herrn Braun, Förster, Schleifmühle bei
Luxemburg, lebend gefangen und ebenfalls an das Museum abgeliefert. - Diese
zwei Stück sowie dasselbe von Kleinbettingen wurden auf dem »Stackelter
Moor«, in der Nähe der Stadt, von Herrn Brillon, Präparator,
ausgesetzt.
-
4. Exemplar wurde von Herrn Schmidt am 26. November durch die Polizei Luxemburg
gemeldet, war am 23. morgens auf der Straße Rollingergrund gefangen
und auf unseren Rat hin auf den Weihern von Kockelscheuer freigelassen
worden.
-
5. Exemplar wurde lebend beim Stellwerk Kockelscheuer (Nähe Lux. Stadt)
gegriffen und von unserem Mitglied Rob. Dupont auf demselben Weiher ausgesetzt
worden.
Nach einer Zeitungsnotiz fing irgendwo im Oesling ein Jäger ein weiteres
Stück und setzte es auf einem Tümpel aus.
Herr Förster Braun berichtet ergänzend, daß er nachts
einen Massenzug dieser Vögel verhört habe.
Herr Gelhausen, Grevenmacher, meldet die Beobachtung des ersten Haubentauchers
auf der Mosel für den 23. November 1957, dann am 30. November zwei
weitere. Diese drei Exemplare verweilten bis zum 1.12. einschließlich
auf der Mosel.
Zur Beobachtung kamen also insgesamt 12 Stück, von denen 8 wieder
lebend ausgesetzt werden konnten. Eine Ergänzung bietet die Feststellung
der drei Stück auf der Mosel.
Bedauerlicherweise war kein einziger Vogel beringt, somit sind wir
über die genaue Herkunft im Unklaren. Leider fehlten auch uns die
Ringe.
Zum Abschluß möchten wir eine Zusammenstellung der Beobachtungen
auf luxemburgischem Gebiet seit 1946-1957 (ausschließlich der oben
gemeldeten) geben. (Zusammengestellt von Herrn R. Schmitt, Luxemburg.)
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1951, Wellenstein. Am 6. September drei Haubentaucher zwischen 4 bis 5
Uhr nachmittags auf der Mosel bei Bech-Kleinmacher und der Moselfähre
(Stephany), Bulletin Jan.-Febr., S. 485, 1952.
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1954. Am 2. März ein Exemplar bei Stadtbredimus auf der Mosel (Lieftinck).
Regulus Juillet-Août, page 69.
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1956. Auf der Mosel am 26. Februar zwischen Remerschen und Ehnen 7 Stück;
am 28. Februar bei Remich 3 Stück, am 18. März und am 5. April
ein Stück bei Remerschen (Emmerich, Ries, Schlesser). Regulus, Nov.-Déc.,
page 121.
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1957. Am 5. Februar überfliegen zwei Stück mehrmals den Dipbach
bei Esch-Alzette (Peltzer). Regulus Mai-Juin, page 69.
H. Rinnen
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