woxx 15.9.2000
Commentaire
Umweltpolitik
Wir wollen mehr!

Der Umweltminister und sein Staatssekretär kündigen die europaweit höchsten Solarstrom-Fördertarife an. Ist das der längst überfällige Richtungswechsel in der Umweltpolitik?

Dass in unserer Zeitung Politiker nicht ständig gelobt werden, hat schon seine Richtigkeit. Wer die Welt nicht durch eine rosa Brille betrachtet, findet selten Gelegenheit, Lob zu spenden. Schon gar nicht dem Umweltminister, und erst recht nicht zur Oekofoire, bei der traditionellerweise die offizielle Umweltpolitik herber Kritik ausgesetzt ist. Doch dieses Jahr ist alles anders. Die Oekofoire hat als Schwerpunktthema die Solarenergie, und Umweltminister Charles Goerens und Staatssekretär Eugène Berger kündigen ausgerechnet am Tag zuvor an, dass Luxemburg fortan die höchsten Fördertarife Europas für Strom aus Solarzellen bezahlen wird.

Bravo, sagen wir. Nicht zuletzt, weil es kein Geheimnis ist, dass der eigentlich für Strompreise zuständige Wirtschaftsminister Henri Grethen und die Strom- und Industrielobby von hohen Fördertarifen nichts wissen wollten. Der Umweltminister und sein Staatssekretär haben sich durchgesetzt. Das ist umso bemerkenswerter, als ihre bisherige Umweltpolitik von Rückschritten und Unterlassungen geprägt war. Gleich bei seinem Amtsantritt hatte Charles Goerens eine Konsequenz der demagogischen DP-Wahlkampagne in der Hauptstadt mittragen müssen: Das BTB-Projekt wurde liquidiert. Auch das Stromgesetz von Anfang dieses Jahres trug nur die Handschrift des zuständigen Wirtschaftsministeriums - viel Liberalisierung und wenig Ökologisierung. Die Umweltbewegungen sparten nicht mit Kritik. Die Schmerzgrenze wurde dann im Bereich Naturschutz überschritten: Der "Mouvement Ecologique" warf dem Ministerium massive Gesetzeswidrigkeiten in der Genehmigungspraxis vor und die "Natur- a Vulleschutz-Liga" zog sich aus dem "Conseil Supérieur de la protection de l'environnement" zurück.

Von Pressekonferenz zu Pressekonferenz warb Charles Goerens um Anerkennung für seinen guten Willen und um Verständnis für die Notwendigkeit von Kompromissen. Diese Kompromisse gingen aber jedesmal einseitig auf Kosten der Umwelt. Der hinter den Kulissen ausgetragene Kampf mit Henri Grethen erinnerte immer stärker an jenen zwischen dem politischen Schwergewicht Robert Goebbels und dem tapferen ewigen Verlierer Alex Bodry. Wird auch bei den jetzt anstehenden Verordnungen über alternative Energien der Umweltminister erklären, dass der Mentalitätswandel zwar im Gange, aber leider wenig Konkretes herausgekommen sei?

Nein, diese Verordnungen beinhalten eine konsequente und umfassende Unterstützung aller erneuerbaren Energien sowie des Energiesparens. Und das Glanzlicht darin ist der Sonnenstrom-Preis von 25 LUF pro kWh. Das ist endlich der Startschuss für eine Umorientierung der luxemburgischen Energiepolitik. Ein Erfolg auf der ganzen Linie also?

Wer sich die Verordnungen genauer ansieht, stellt fest, dass nun das Umweltministerium wieder für die Einspeisetarife der erneuerbaren Energien zuständig ist. Aber: Es ist auch der Staat, der zahlt, und nicht etwa, wie im deutschen Modell, die Stromverbraucher, die die Ökologisierung mitfinanzieren - das hätte der Wirtschaftsminister nicht zugelassen. Ist der Solar-Coup des Umweltministers vielleicht weniger ein Zeichen für politische Entschlossenheit als eine Folge des Budget-Überschusses?

Doch Geld löst nicht alle Umweltprobleme. Eine ökologische Steuerreform zum Beispiel würde handfeste Interessenkonflikte ausbrechen lassen. Auf seiner Pressekonferenz von Donnerstagmorgen gab sich Umweltminister Charles Goerens entschlossen, auch dieses heiße Eisen anzufassen. Wir wünschen viel Erfolg.