Telecran 9.3.1999
 
Pflegestation der Luxemburger Natur- und Vogelschutzliga

 Klinik für Wildtiere

 Die einzige Tier-Pflegestation Luxemburgs steht in Düdelingen. Auf ihrem Privatgrundstück versorgen Jeanny und Jean François verlassene Tierbabies und pflegen verletzte Tiere. 

Ein Bericht von Claude François, Foto: Tom Wagner

 rp1104.gifIch war immer ein Tierfreund, hatte aber eigentlich nie vor, eine Pflegestation einzurichten. Aber als wir vor elf Jahren einen verletzten Igel fanden, kümmerten wir uns um ihn, so gut wir konnten. Aus einem Patienten wurden einige Dutzend, und plötzlich sprach sich herum, daß wir solche Tiere pflegen…” Im ersten Jahr kamen knapp 100 Tiere bei Jean François in Behandlung - im Rekordjahr 1996 sollten es mehr als 1 100 sein! “Die Zahl meiner Patienten hängt aber stark von den Jahreszeiten ab”, fügt der Hobby-Tierpfleger hinzu; in den Monaten Mai bis Juli landen besonders viele kranke oder verletzte Vögel und Säugetiere in der Düdelinger Klinik. “Dann verlassen die jungen Tiere ihre Nester und ihre Familie”, erklärt Jean François, “aber für viele endet die Entlassung ins Leben tragisch”. Auf die jugendlichen Tiere lauern auf der einen Seite natürliche Feinde - die Gesetze der Natur, der Aussonderung und der Arterhaltung fordern ihre Opfer. Aber es lauern auch unnatürliche, von Menschenhand konstruierte “Feinde”: Fahrzeuge, vor denen kaum eine Tierart sicher ist; Hochspannungsleitungen, auf denen Vögel durch Stromschlag getötet oder schwer verletzt werden; Landwirtschaftsgeräte, die aus dem Weg räumen, was sich ihnen in den Weg stellt; Stacheldrähte, in denen Vögel sich verfangen und schlimme Verwundungen erleiden; offene Öltankbehälter, die von Vögeln als Wasserreservoir mißverstanden werden… “Eigentlich pfusche ich der Natur ins Handwerk”, sagt der 57jährige, “aber wenn man ein krankes Tier pflegt oder ein Junges aufzieht, dann entwickelt man eine starke Bindung zu dem Geschöpf. Und dann tut man alles, damit es wieder auf die Pfoten kommt”. Seit 1988 geben Jean, Jeanny und Carole François den hilflosen Tieren eine zweite Chance. Die Bilanz nach elf Jahren läßt sich sehen - mehr als 7000 Tiere kamen in Behandlung, und 70 Prozent davon konnte tatsächlich geholfen werden.

Buteo buteo

Jean François, der “den Computer nur zum Buchführen benutzt”, listet seine Patienten akribisch auf, von der Einlieferung bis zur Genesung und Entlassung - oder bis zum Tod -, wird alles pedantisch festgehalten. So zeigt seine 1998er Statistik, daß 53 Prozent der eingelieferten Tiere an Unterernährung oder Erschöpfung litten und 27 Prozent eine Verletzung hatten. Zehn Prozent der “Patienten” waren gelähmt oder hatten eine Gehirnerschütterung - letzteres widerfährt Vögeln vor allem, wenn sie gegen eine Fensterscheibe fliegen.
Der Tierpfleger hält auch die Ursachen der Verletzungen und Krankheiten fest, so weit er dies nachvollziehen kann. Demnach waren im Jahr 1998 48,3 Prozent seiner Patienten verwaiste Jungtiere, fast 13 Prozent waren Opfer des Autoverkehrs und genau 13,61 Prozent, so ist in der Statistik zu lesen, waren von einem Beutegreifer (Katze, Hund) angegriffen worden. Und fast 100 Vögel waren gegen eine spiegelnde Glaswand geprallt.
In der Düdelinger Klinik gibt es vor allem erwachsene Tiere; vom Uhu über den Reiher bis zum Fuchs ist so ziemlich alles vertreten, was in der freien Natur zum Pflegefall werden kann. Eigentlich sollte der ausgewachsene Fuchs längst wieder unter seinen Artgenossen sein, “aber der will einfach nicht raus”, berichtet Jean François. Und der Baummarder, der in der Voliere nebenan umherrennt, “läuft zwar oft weg, kehrt aber immer wieder zurück”. Aber Pensionäre wie diese sind selten, die meisten Tiere melden sich nach ihrer Entlassung nicht mehr; nur die Spuren der Greifvögel kann man nachverfolgen, da sie systematisch mit einem Markierungsring versehen werden.
Jean François katalogisiert alle Tiere unter ihrem lateinischen Namen - da geht nicht die Rede von Mäusebussard oder Blaumeise, sondern von einem Buteo buteo und einem Parus caeruleus. Jede Einzelheit, jede Entdeckung, die das Tierleben betreffen, haben ihre Wichtigkeit: Es mag den meisten Menschen gar nicht einmal auffallen, daß ein ausgewachsener Hirschkäfer in ihrem Garten herumkrabbelt, aber für Leute wie Jean François hat eine solche Information, wenn sie auch noch aus einer “hirschkäferarmen” Gegend kommt, fast Sensationswert und wird sofort an das Haus der Natur in Kockelscheuer, die Zentrale der Luxemburger Natur- und Vogelschutzliga (LNVL) gemeldet.

Staatlich anerkannt

Die Aufzeichnungen, Tabellen und Beobachtungen von Jean François und seinen Helfern haben dazu beigetragen, das zum Teil noch sehr geheimnisvolle Treiben in der heimischen Fauna besser kennenzulernen und zu dokumentieren. François tut dies mit der Methodik eines Forschers und der Genauigkeit eines Buchführers. Und mit viel Leidenschaft, Begeisterung und Aufopferung…
So hat François alle Käfige für die Vögel und Säugetiere selbst entworfen und mit Freunden gebaut. “Mein Beruf hat mir dabei natürlich sehr geholfen”, berichtet der Arbed-Ingenieur, der seit kurzem in Rente ist. Auch die großen Vogelkäfige, die Volieren, die im Parc “Léi” unmittelbar neben dem Tierheim errichtet wurden und in denen Greifvögel und Eulen genesen, sind handgemacht.
Tiere pflegen ist für die François längst zur Lebensaufgabe geworden. Aber ohne die Spenden vor allem der Privatleute und die finanzielle Unterstützung der verschiedenen Sektionen des Natur- und Vogelschutzverbandes, der Düdelinger Gemeinde und des Staates wäre die Düdelinger Tierpflegestation nicht das geworden, was sie heute ist: die einzige Tierklinik Luxemburgs, die sogar über die Grenzen hinaus bekannt ist. “Filmteams von TF1, France 3 und RTL 9 waren bereits hier, und nach der Ausstrahlung einer Sendung riefen viele Leute an, sogar jemand aus dem Massif Central”.
Seit 1998 wohnen Jean und Jeanny François an einer neuen Adresse in Düdelingen, auf einem Grundstück “mit einem alten Nußbaum im Garten und 20 Ar drumherum”. Und mit noch mehr Raum für die Pflegestation. “Jetzt brauchen die Leute nicht mehr durch das Haus zu rennen, wenn sie uns verletzte Tiere bringen”, freut sich Jean François, der seit einem Jahr von einem jungen Tierpfleger unterstützt wird: Der “Centre de soin et de révalidation pour la faune sauvage Dudelange” wird nämlich als Einrichtung der Luxemburger Natur- und Vogelschutzliga vom Umweltministerium anerkannt, und das Gehalt des neu eingestellten jungen Tierpflegers wird über eine Konvention mit dem Staat bezahlt. “Ein guter Mann”, lobt Jean François seinen jungen Mitarbeiter, “er ist privat im Natur- und Tierschutz engagiert, und hat auch handwerklich etwas drauf”.
Die Tierpfleger verwenden viel Zeit für das Füttern, und das tun sie artgerecht und nach dem Lebensrhythmus der Tiere. “Der größte Fehler, den die Leuten machen, ist falsches Füttern”, schildert Jean François. “Man meint es zwar gut, aber dann stopft man den Tieren Nahrung in den Rachen, die diese gar nicht vertragen. Kuhmilch zum Beispiel kann auf den Organismus von jungen, schwachen Tieren wie Gift wirken. Sie verenden dann nicht wegen mangelnder, sondern wegen falscher Ernährung”.
Im Düdelinger Tierklinikum wird aber oft zur Babyflasche gegriffen, um junge Wildhasen, Igel und andere Säugetiere aufzupäppeln, und kleine Vögel werden mit saftigen Würmern verwöhnt. Recht teuer kommt das Füttern der ausgewachsenen Tiere zu stehen. Fleischfresser wie Igel, Marder oder Füchse mögen Hundefutter aus der Dose, Reiher haben eine Vorliebe für Fisch und Greifvögeln werden tote Mäuse, Ratten oder Küken serviert. “Die Mäuse gehen uns immer aus”, wundert sich Jean François, “wir haben nie genug davon”.
Und auch der Vorrat an Küken wird rasch aufgebraucht: “Im Laufe eines Jahres verputzen unsere Patienten 75 000 Küken, das sind drei Tonnen!”, berichtet Jean François über das etwas makabre Geschehen, “die kaufen wir bei einer Spezialfirma in Belgien.” Der Proviant wird dann zu Hause portionsweise verpackt und in der Truhe tiefgefroren…
 
 



 

Pflegestation für verletzte Wildtiere

LNVL-Düdelingen
Jeanny und Jean François
Telefon: 51 31 14.

Spendenkonto:
CCPL 78999-41
(Vermerk: “Pflegestation”)
 
 
 



 

Fehler, vermeiden! 

  • Vögel soll man auf keinen Fall in Käfige stecken - Verletzungsgefahr!
  • Die Vögel nicht selbst behandeln!
  • Nicht versuchen, die Vögel zu ernähren oder ihnen gar Medikamente zu verabreichen!
  • Den Findling nicht herumzeigen, denn dadurch wird er noch gestresster.
  • Unverletzte, voll befierderte Vögel, die aus dem Nest gefallen sind, nicht aufheben - sie werden meistens von ihren Eltern weiter versorgt.
  • Findet man in der freien Natur junge Säugetiere wie Reh und Hase, so darf man diese auf keinen Fall anfassen. Diese Tiere sind nur in den seltensten Fällen verlassen und werden nach Berührung durch den Menschen von den Muttertieren nicht mehr angenommen. Anders bei den Vögeln: die darf man anfassen, ohne daß sie von den Eltern verstoßen werden - der Geruchssinn der Vögel ist nämlich nur wenig ausgeprägt.