Telecran 23.12.1998
 
Waldabholzung zwischen Dippach und Mamer 

 Schneise durchs Schutzgebiet 

 Vogelschutzliga und “Mouvement écologique” werfen der Forstverwaltung “Inkompetenz in Sachen Naturschutz” vor 

 pa5302.gifBis zu 130 Jahre alt sind die Eichen und Buchen im “Didenuecht”, einem Wald zwischen Dippach und Mamer, der der Gemeinde Dippach gehört. In diesem Gebiet leben seltene Pflanzen und Tiere, zum Beispiel Molcharten und Habichte, die hier ihre Brutstätte haben. Wegen seiner Vielfalt wurde das Waldstück in die sogenannte “Habitat-Liste” der Regierung aufgenommen. Die Liste geht zurück auf die “Habitat-Direktive” der Europäischen Union, die alle Mitgliedstaaten verpflichtete, bis Juni 1996 eine Liste ökologisch schützenswerter Gebiete auf ihrem Territorium aufzustellen. Im November dieses Jahres, also mit über zweijähriger Verspätung, hat auch Luxemburg diese Liste in Brüssel eingereicht. “Wir haben gedacht, wenigstens diesen ausgewiesenen Gebieten könne nun nichts mehr passieren”, so Pit Mischo, Vorsitzender der “Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga” (LNVL). Doch die Naturschützer hatten sich zu früh gefreut. Denn vor wenigen Wochen rückten im “Diden-uecht” Sägen und Bagger an – und schlugen eine 1200 Meter lange und 25 Meter breite Schneise durch den Wald. Auftraggeber: die staatliche Forstverwaltung, die hier mit dem Einverständnis der Gemeinde Dippach einen Weg anlegen will, um den Wald besser wirtschaftlich zu nutzen, das heißt: leichter Holz schlagen und abtransportieren zu können. Für die Vogelschutzliga und den “Mouvement écologique” ist das unverständlich: Denn erstens beständen schon zahlreiche, zum Teil sogar parallele Wege in diesem Waldstück. “Vor allem aber müßte der Eintrag auf der Schutzliste theoretisch zu einem pfleglicheren Umgang mit diesem Lebensraum führen”, so Pit Mischo. Die Zerschneidung dagegen hat seiner Meinung nach einen klaren “Zerstörungseffekt”: durch den Lärm von Arbeitsmaschinen und Wanderern auf dem neuen Weg zögen sich die Tiere zurück, Lebens- und Ruheraum gehe verloren. Der Eingriff in Dippach, so die Naturschützer in einer schriftlichen Erklärung, stehe mithin “symbolhaft für die Inkompetenz der Forstverwaltung in Sachen Naturschutz”. 

Bedenken ignoriert 

Besonders ärgert sie, daß die Forstverwaltung nicht nur die Proteste von LNVL und “Mouvement écologique”, sondern auch Bedenken aus den eigenen Reihen ignorierte. So blieb ein Brief, in dem der Leiter des staatlichen Naturschutzdienstes - einer der Forstverwaltung unterstellten Abteilung - an die Verantwortlichen appelliert hatte, das Vorhaben zu stoppen und zunächst die Auswirkungen des geplanten Eingriffs zu untersuchen, ohne Reaktion. “Dabei kannte jeder der Akteure die Habitat-Liste, und es hätte nicht geschadet, ein paar Monate zu warten”, heißt es beim Naturschutzdienst.  
Die Habitat-Direktive verbietet zwar weder das Anlegen von Wegen noch die wirtschaftliche Nutzung geschützter (Wald-)Gebiete. Sie schreibt jedoch vor jedem Eingriff eine Impaktstudie vor und rät, die Schaffung neuer Wege einzuschränken. Die Naturschützer sind sicher, daß die Schneise nicht geschlagen worden wäre, wenn diese Genehmigungsprozedur eingehalten worden wäre.  
Die Forstverwaltung selbst wollte auf Anfrage dazu keine Stellung nehmen. Die fehlende Impaktstudie soll offenbar im Frühjahr durchgeführt werden – weil ja noch kein befestigter Weg angelegt, sondern bisher nur eine Schneise geschlagen worden sei. “Die Bäume sind aber abgeholzt, die Fakten sind geschaffen”, wettert Pit Mischo. Vogelschutzliga und “Mouvement écologique” fordern nun, den Naturschutzdienst aus der staatlichen Forstverwaltung herauszulösen und eine eigenständige Natur- und Umweltschutzverwaltung mit zusätzlichem, qualifiziertem Personal und eigenen Kompetenzen zu schaffen. 

bs