Luxemburg braucht ein Bodenschutzgesetz !
Unser Boden ist die Lebensgrundlage für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen sowie Bestandteil des Naturhaushaltes. Auch als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte sowie als Rohstofflagerstätte erfüllt der Boden wichtige Funktionen. In dieser Logik ist es also unumgänglich, nicht nur die Lebensräume und die Lebewesen in diesen Räumen zu schützen, sondern vor allem auch deren Basis, den Boden selbst. Dabei gilt es nicht nur die direkten Schadwirkungen auf den Boden zu unterbinden, sondern vor allem Vorsorgemaßnahmen zu treffen, damit die wichtigen Bodenfunktionen wie Wasser- und Nährstoffkreisläufe in einem intaktem Zustand erhalten bleiben. Sowohl in Deutschland, Frankreich oder den Niederlanden gibt es spezifische Gesetzgebungen zum Schutz des Bodens. In der Schweiz wurde der Bodenschutz im Umweltschutzgesetz aufgenommen; bei unserm Nachbarn Belgien besteht eine „Direction de la protection des sols“. In Luxemburg wird zwar die Wichtigkeit des Erhaltes eines gesunden Bodens anerkannt und in der Forschung und Ausbildung von Land- und Forstwirten, Ökologen und Landschaftsgestaltern wird die Wichtigkeit der verschiedenen Funktionen des Bodens doziert, aber eine umfassende Gesetzgebung zu einem konkreten Bodenschutz gibt es zur Zeit noch nicht.
Wir möchten die Regierungsmitglieder an dieser Stelle daran erinnern, dass die letzte Regierungserklärung ein Bodenschutzgesetz vorgesehen hat. Da bekanntlich das Verfassen eines solchen Gesetzes eine Menge Zeit in Anspruch nimmt, sollte endlich mit den konkreten Vorarbeiten begonnen werden.
Zwei Möglichkeiten bestehen, um den Bodenschutz zu regeln: Entweder man lässt ihn in bestehende Gesetzgebungen mit einfliessen oder aber man erlässt ein eigenständiges Bodenschutzgesetz.
Im ersten Fall besteht die Gefahr - wie es oft in anderen Bereichen der Fall ist - dass sich niemand für ein bestehendes Problem zuständig fühlt. Es könnte vorkommen, dass der Bodenschutz sich in den verschiedensten Ministerien wiederfindet: Landwirtschaftsministerium, Innenministerium, Verkehrsministerium, Öffentliche Bauten oder Umweltministerium. Niemand hätte die umfassende Zuständigkeit. Klare Richtlinien, fachliche Kräfte und ein definiertes Budget würden fehlen und eine Behörde könnte den Ball an die nächste weiterspielen. Eine ähnliche Situation hat es im Bereich der Wasserwirtschaft gegeben.
Es drängt sich die Lösung auf, den Bodenschutz genau wie den Schutz der Luft im Umweltministerium anzusiedeln. Dieses Ministerium ist ohnehin bereits für Bodensanierungen zuständig. Ausserdem obliegt es beispielsweise dem Umweltamt Bodenverbesserungsmittel auf ihre Eignung zu überprüfen und ihre Anwendung zu regulieren. Bestehende Bodenkartierungen und vorhandene Analysen könnten als Grundlage für ein systematisches, flächendeckendes Bodenbeobachtungsprogramm genutzt werden.
In einem Bodenschutzgesetz sollten auf jeden Fall folgende Aspekte berücksichtigt werden:
1. Bodenschutz als Aufgabe der Gesellschaft
Der Schutz von Luft oder Wasser und von einigen Naturräumen (Wälder) ist in der Öffentlichkeit zur Selbstverständlichkeit geworden. Dies ist nicht der Fall für den Schutz von Boden, auch wenn niemand die Wichtigkeit des Bodens für unser Überleben leugnen würde.2. Vorsorge in einem umfassenden BodenschutzgesetzEs ist Aufgabe unserer Gesellschaft, sich dem Schutz des Bodens anzunehmen, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen und die zur Umsetzung nötigen personellen und finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen.
Unabhängig von jedem staatlichen Engagement muss es Pflicht für jeden Grundstückeigentümer und -nutzer sein, Maßnahmen zur Abwehr von drohenden schädlichen Bodenveränderungen zu ergreifen.
Es geht darum, ein gesetzliches Instrument zu schaffen, das sowohl die Vorsorge, den langfristigen Erhalt der Bodenfunktionen, die Sanierung im Falle von Bodenverschmutzungen sowie den Rückbau von Bauten und die Entsiegelung des Bodens absichert, also einen umfassenden Bodenschutz garantiert.
Unsere Böden sind vor irreversibel schädigenden Einflüssen zu schützen. Dafür muss auf vielfältige Weise Vorsorge getroffen werden, damit in der Planungsphase befindliche Vorhaben in einem landesplanerischen Gesamtkonzept auf ihre Auswirkungen auf die betroffenen Böden geprüft werden können. Dazu ist die Kenntnis der Bodeneigenschaften und der lokalen Bodenfunktionen erforderlich, was wiederum die Existenz eines landesweiten Bodenzustandskatasters voraussetzt.
- Erfassung und Überwachung der Bodenbeschaffenheit (Bodenmonitoring)
Zur Erfassung der Bodenbeschaffenheit ist ein Bodenzustandskataster notwendig. Dieser beschreibt die physikalische, chemische und biologische Beschaffenheit des Bodens. Darüber hinaus werden Bodennutzung und Nutzungseinschränkungen definiert. Um Veränderungen der Bodenverhältnisse festzustellen, müssen Dauerbeobachtungsflächen bestimmt werden und die erfassten Daten in eine Bodendatenbank einfließen. Ein solches Informationssystem dient der staatlichen, kommunalen und individuellen Planung. Die zum Teil bestehenden Bodenzustandskataster (Landwirtschaft, Umweltamt) sind auszubauen und in diesem Sinne zu nutzen.3. Langfristige Absicherung der Bodenfunktionen
- Konkrete Vorsorgemaßnahmen
Es müssen folgende Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden, um unseren Boden zu schützen:
- Absicherung der bestehenden Bodenflächen durch Reduzieren der Bodenversiegelung;
- Vermeiden der Einbringung von Schadstoffen, insbesondere von Stoffen, welche den Boden langfristig belasten würden;
- Vermeiden von Schadstoffen, welche Fauna und Flora nachhaltig schädigen würden;
- Vermeiden des Eintrags von genmanipulierten Organismen;
- Vermeiden von Schadstoffen, welche Quell- und Grundwasser belasten könnten;
- Vermeiden von Erosion. Die Erosion darf auf keinen Fall die natürliche Bodenbildung überschreiten;
- Vermeiden von schädlichen Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Bodens (Bodenverdichtung, Überdüngung, chemischer Pflanzenschutz...).
- Bodenschutz in der Landesplanung
Erschreckend sind die Zahlen, die das rasante Fortschreiten der Bodenversiegelung in Luxemburg belegen. Dabei wird nicht nur wertvoller Boden überbaut, sondern es sind sogar oft Böden von bester Qualität, die auf diese Art beseitigt werden und der Landwirtschaft endgültig verloren gehen. Das zuständige Ministerium für Landesplanung ist also hier gefordert, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Versiegelung der Böden zu reduzieren und auf die verschiedenen Bodenqualitäten Rücksicht zu nehmen.
Bei grossflächigen Bauprojekten sind künftig Bodennutzungskonzepte zu erstellen. Auf keinen Fall darf (Beispiel: Tunnelbau auf dem Schengener Markusbierg) eine grossflächige Überschüttung wertvoller Mütterböden mit Aushubmaterial erfolgen. Bodendeponien sollten höchstens als Zwischenlager eingerichtet werden.
Die Tatsache, dass die meisten negativen Einflüsse auf den Boden definitiv sind (Erosion, Verseuchung, Verkehrswege...) muss zur Schlussfolgerung führen, dass nur eine konsequente Vorsorge den zukünftigen Problemen Abhilfe schaffen kann.
Die Böden sind – ähnlich den Gewässern – die elementaren Träger des Lebens. Diese Funktion können sie nur erfüllen, wenn die dazu erforderlichen Bodenfunktionen intakt bleiben.4. Sanierung und Entsiegelung des Bodens
- Alle wichtigen Bodenfunktionen müssen langfristig gesichert werden, z.B.
- Die Leistungsfähigkeit des Bodens als natürliche Ressource;
- Die Bodenfruchtbarkeit ;
- Die Wechselwirkungen zwischen Boden und anderen Systemen (Luft, Wasser) und die Sicherung der Stabilität dieser Systeme;
- Die Aufnahmefähigkeit und Durchlässigkeit für Wasser (Quellen, Grundwasser);
- Der Boden als konkreter Lebensraum für Fauna und Flora (Bodenorganismen);
- Die notwendige Basis zum Erhalt der Biodiversität;
- Der Erhalt naturbetonter Strukturelemente der Landschaften.
Nicht nur der Gebrauch des Bodens muss in einem Bodenschutzgesetz reglementiert werden. Auch die Entlassung von Bodenflächen aus einer konkreten Nutzung muss vernünftigen Regeln folgen.Pit Mischo
- Umgang mit Altlasten, Unfällen und absichtlichen Vergehen
Wie wichtig das Vermeiden des Eintrags von Schadstoffen ist, zeigen die katastrophalen Zustände der Böden in der Minettegegend. Dabei wurden die meisten Problemareale bereits umfunktioniert, bevor eine Situationsanalyse stattfinden konnte. Eine Sanierung der Kontaminationen wird aufgrund der schwierigen Finanzierung erst gar nicht ins Auge gefasst, die Auswirkungen werden dem Zufall überlassen, die Konsequenzen für die Umwelt sind kaum noch abzuschätzen.
Wichtig wäre:In allen Fällen muss der Verursacher in die Pflicht genommen werden. Auf keinen Fall darf die Allgemeinheit die Finanzmittel zur Verfügung stellen, um die Fehler der Verursacher zu beseitigen. Dies ist leider augenblicklich der Fall bei den Industriebrachen im Süden des Landes.
- Das schnellstmögliche Fertigstellen des Altlastenkatasters (das Abfallwirtschaftsgesetz vom 17. Juni 1994 forderte eine Fertigstellung bis 1999)
- Die Aufstellung einer Prioritätenliste derjenigen Altlastenflächen, die nachweislich ihr natürliches Umfeld schädigend beeinflussen oder gefährden und die deshalb dringend einer Sanierung bedürfen.
- Das Bestimmen der Sanierungsziele für diese Flächen und das Erstellen von Strategien zum Erreichen der Sanierungsziele (Sanierungskonzepte).
- Rückbau und Entsiegelung
Die Bodenentsiegelung ist bisher noch kein Thema in Luxemburg. Allerdings werden vermehrt Bauten und versiegelte Flächen umfunktioniert. Bei dauerhaft nicht mehr genutzten Flächen muss der Eigentümer verpflichtet werden, dem Boden seine Leistungsfähigkeit zurückzugeben, indem Fabrikanlagen und sonstige aufgelassene Infrastruktureinrichtungen zurückgebaut werden. Das einfache Zurücklassen von Anlagenruinen darf in Zukunft nicht mehr toleriert werden. Das Industrieflächenrecycling muss zur Selbstverständlichkeit werden. Damit kann auch die Neuausweisung und Neuversiegelung von Industrie- und Gewerbeflächen verringert werden. Ein Leitfaden zum Umgang mit einer Entsiegelung drängt sich auf. Bei Neuanlagen am selben Ort müssen Auflagen gemacht werden, die eine Reduzierung der überbauten Flächen vorschreiben sowie einem Mindestanteil an offenen Bodenflächen garantieren.