LNVL  -  Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga asbl
Veröffentlicht in Regulus (ISSN 1727-2122) 1986/2 S. 43

Remembrement - eng Kaz am Sak

Obschon eine große Anzahl der Eigentümer überhaupt nicht an der Felderzusammenlegung interessiert ist, wird versucht, mit Hilfe eines undemokratischen Gesetzes und «Hausbesuchen», das Gesetz dennoch durchzusetzen. In der Tat sieht das Gesetz Erstaunliches vor:

«Déi, di net do sen, sen derfir...»
Wer nicht auf der Generalversammlung anwesend sein kann, oder nicht vertreten ist, dessen Stimme wird als... ja gewertet. In einem juristischen Gutachten, das die Interessengemeinschaft erstellen ließ, geht eindeutig hervor, daß dieses Vorgehen völlig willkürlich und undemokratisch ist. Man könnte ja ebenso gut diese Stimmen als... nein weiten lassen. Was hat dies noch mit Demokratie zu tun? Stellen Sie sich vor, in der Abgeordnetenkammer würde man genauso vorgehen: die Stimmen aller abwesenden Deputierten würden als Ja-Stimmen gewertet werden...

«Déi, di sech enthalen, sin och derfir...»
Auch Enthaltungen auf der Generalversammlung zählen als Ja-Stimmen. Sie könnten ebenso gut als Nein-Stimmen gelten. Was hat dies noch mit Demokratie zu tun?

«D’Fro vun de Prokuratiounen... eng Aschränkung vun de perséinleche Rechter als fräie Bierger...»
Wußten Sie, daß, falls Sie nicht selbst an der Generalversammlung teilnehmen können, Ihre Prokuration nur einem anderen Grundeigentümer geben können... und nicht einer Person Ihrer Wahl. Sie können demnach zum Beispiel weder Ihrem Rechtsanwalt noch einem Familienmitglied noch einem Freund oder Kollegen eine Prokuration erteilen...
Stellen Sie sich einmal folgendes vor: Von 400 Besitzern sind 200 gegen die Felderzusammenlegung. Aus unterschiedlichen Gründen können die 200 auf der Gemeindeversammlung nicht anwesend sein, möchten aber ihre Prokuration ausstellen. Sie sind also gezwungen, den Befürwortern ihre Vollmacht «anzuvertrauen». Und falls diese die Prokuration nicht annehmen? Damit werden Ihre Rechte als freier Bürger deutlich eingeschränkt, da die freie Wahl Ihres Vertreters unmöglich gemacht wird. Was hat dies noch mit Demokratie zu tun?

«En Ugreff op Äert Eegentum...»
Im «Code Civil» ist die Unverletzbarkeit des Grundeigentums als eines der Grundprinzipien verankert. Das «Remembre-ment»-Gesetz stellt mit seinem undemokratischen Vorgehen dieses elementare Recht eines jeden Bürgers in Frage.
Wäre es nicht eher angebracht, nach den gleichen Regeln zu verfahren, wie dies bei Generalversammlungen von Vereinigungen oder Gesellschaften üblich ist? 
• So wäre es normal, daß 3A aller Grundeigentümer anwesend oder vertreten sein müssen, damit die Generalversammlung überhaupt beschlußfahig ist. Wäre diese Zahl nicht erreicht, so müsste eine neue Generalversammlung einberufen werden. Damit diese beschlußfahig ist, müßte wenigstens die Hälfte der Eigentümer
anwesend oder vertreten sein. In keinem Falle aber dürften die Stimmen der Abwesenden als Ja-Stimmen gelten. Das wäre echte Demokratie.
• Ebenso normal wäre es, daß Sie jedem anderen Bürger ihrer Wahl ein Prokuration ausstellen können, falls Sie selbst nicht anwesend sein können.

«Kee recours méiglech...»
Wußten Sie, daß gegen das Urteil des Friedensrichters im Falle eines Einspruchs kein Rekursmöglichkeit besteht? Das juristische Gutachten, das von der Interessengemeinschaft in Auftrag gegeben wurde, kommt zu dem Schluß, daß angesichts der Wichtigkeit (es geht ja schließlich um das Grundeigentum der Betroffenen) eine Rekursmöglichkeit wie sonst üblich vorgesehen werden müßte.
Es befremdet, daß man zuerst ja sagen muß, ohne zu wissen was auf einen zukommt:

• Kosten der Felderzusammenlegung.
Bei einem Durchschnittskostenpunkt von 150.000.- pro Hektar bei landwirtschaftlichen Remembrements dürfte die «Flurbereinigung» jeden Eigentümer 30.000.- pro Hektar kosten (3% Flächenverlust à 5.000.-/Ar = 15.000.-; 10% der Durchschnittskosten von 150.000.- = 15.000.-; Total: 30.000.-).
Falls es sich um Weideland handelt, müssen zusätzlich die Umzäunungskosten getragen werden. Das gleiche für das Einsäen von Weideflächen und Mähwiesen. 
Handelt es sich um Pachtland, muß der Besitzer wohl oder übel diese Kosten über die Erhöhung des Pachtpreises eintreiben. 
Bei einem Durchschnittspachtpreis von 60.- pro Ar, steigt also der Pachtpreis um runde 50% während der nächsten 10 Jahre... das heißt, er klettert auf 90.- pro Ar.

• Felderzusammenlegung als Selbstzweck.
Von dem Remembrement-Projekt in der Gemeinde Ulfingen sind 38 Betriebe betroffen, «Feierabend»-Bauern eingeschlossen. Von diesen 38 Betrieben werden in Anbetracht des ständigen Rückganges nur etwa 20 nach zehn Jahren «übrig bleiben».
Darüber hinaus scheinen etwa 10 Betriebe durch Pachtzusammenlegungen und Ankauf ihre eigene Felderzusammenlegung bereits abgeschlossen zu haben... 
Man wird also das bittere Gefühl nicht los, daß Flurbereinigung ausschließlich als Selbstzweck betrieben wird... und als Beschäftigungstherapie für so manches Unternehmen zu dienen scheint. 

• Die besonderen Regeln. 
Wie die Erfahrung bei anderen Flurbereinigungsprojekten zeigt (mit konkreten Beispielen kann gedient werden), gelten bei der Neuverteilung der Parzellen «besondere Regeln». «Wien beim Wäiwaasser steet, dien seent séch...» heißt die Devise. Eine Minorität läßt sich auf Kosten der großen Mehrheit der Eigentümer ihre Schäfchen ins Trockene führen...
Diese betrogene und unzufriedene Mehrheit weiß aber inzwischen auch, daß ihr Protest und ihre Kritik nur allzuoft dadurch bestraft werden, daß ihnen bei der späteren Zuteilung ihrer Parzellen Grundstücke in eher ungünstigen Lagen zufallen. Denn bekanntlich gibt es hier keine «Trennung der Gewalten», da die für die direkten Arbeiten vor Ort zuständigen «Herren» auch später über Aufteilung und Zuteilung der Parzellen bestimmen. Wehe dem der bei ihnen in Ungnade gefallen ist...
Die Interessengemeinschaft wird demnächst zusammen mit anderen Organisationen (lies Naturschutzorganisationen) bei den politischen Fraktionen der Abgeordnetenkammer sowie den zuständigen Ministerien vorsprechen, damit die Felderzusammenlegung gründlich überdacht wird. Die freiwillige Flurbereinigung auf gegenseitiger Absprache soll stärker gefördert werden.


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