Der Schwarzstorch Ciconia nigra in Luxemburg.
Résumé: La Cigogne noire Ciconia nigra au Luxembourg. Le premier cas de nidification de la Cigogne noire a été prouvé en 1993. L'espèce n'a été notée que quelques fois avant 1920. Pour les années entre 1920 et 1960, l'espèce n'a pas été observée et ce n'est qu'à partir de 1966 que de nouvelles observations ont eu lieu. En 1985 les premier cas d'estivage a été constaté. Entre temps, la population nicheuse est estimée de 4 à 7 couples. De 1993 à l'an 2000, 17 cas de reproduction furent notées, avec en moyenne 3,17 jeunes à l'envol. Les territoires de 10 à 12 couples se trouvent au Grand-Duché. Les causes de la colonisation sont à rechercher dans l'accroissement des populations dans certains pays baltiques et surtout dans les bonnes conditions pour la reproduction que les Cigognes noires trouvent dans le nord du Luxembourg (région Eifel-Ardennes). A part les données biologiques et migratoires, les données sur le choix des biotopes de nourrissage et de nidification sont décrits.
Summary: The Black Stork Ciconia nigra in Luxembourg. The Black Stork bred for the first time in Luxembourg in 1993. The species was recorded only a few times before 1920 and was totally absent between 1920 and 1960. From 1966 the number of records began to rise and the first summering birds were recorded in 1985. The breeding population is now considered between 4 and 7 couples. The breeding area is restricted to the middle and northern parts of the country. So far, the species bred 17 times, with an average of 3,17 young leaving the nest. Between 10 and 12 couples have their feeding grounds at least partly in Luxembourg. The colonisation of Luxembourg is mainly due to the increase of the population in some Baltic countries and to the fact that the species is finding good breeding and feeding habitats in Ardennes-Eifel region. The breeding biology, migration, feeding and breeding habitats are described.
1. Einleitung
In einer Zeit, wo in Luxemburg viel von gefährdeten und aussterbenden Tierarten die Rede ist, ist es um so erfreulicher davon berichten zu können, dass sich bei uns eine neue Vogelart angesiedelt hat. Wenn es sich dabei auch noch um eine so stattliche Erscheinung wie dem Schwarzstorch handelt, kann man verstehen, dass diese Nachricht nicht nur die Herzen von Ornithologen, sondern auch von anderen Naturfreunden höher schlagen lässt. Der nachfolgende Bericht soll die Ansiedlung des Schwarzstorches dokumentieren und Angaben über seine Biologie und die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen für seinen Erhalt in unserem Land erläutern.
2. Historik (Besiedlungsgeschichte)
Gesicherte Brutnachweise gibt es für den Schwarzstorch aus dem 19. Jahrhundert keine. Da aber aus dem angrenzenden belgischen Raum Brutnachweise aus dieser Zeit vorliegen ist es nicht unmöglich, dass es auch in Luxemburg vereinzelte Brutversuche gab.
2.1. Beobachtungen und Nachweise aus dem 19. sowie
dem frühen 20. Jh.
Aus dem 19. Jh. liegen nur 3 Nachweise von 5 Exemplaren
vor. 2 Schwarzstörche wurden als Trophäen „gesammelt“. Auch die
beiden Nachweise am Anfang des 20. Jh. überlebten die Schwarzstörche
nicht.
1860 | Brutversuch eines Paares nahe der luxemburgischen Grenze bei Arlon (Belgien) Wald von Anlier. Beide Altvögel wurden geschossen. |
1865 | 1 Exemplar. (W) bei Bettembourg geschossen, das sich in der zoologischen Sammlung des Staatsmuseums befindet. |
24.03.1865 | 1 Ex im Roeserbann d.h. im Süden des Landes. |
31.03.1866 | 3 Ex bei Olingen, wovon 1 Ex. geschossen wurde. |
1903 | 1 Ex. bei Bettembourg geschossen, nicht klar ob vom Horst oder anderswo |
1920 | 1 M geschossen bei Bettembourg kommt in die Sammlung des Museums |
1921-1962 | Keine Nachweise |
Tabelle 1: Nachweise des Schwarzstorch aus dem Zeitraum 1860 – 1962
Es fällt auf, dass alle Angaben damals aus dem Süden des Landes stammten. Dies ist einerseits auf die zu erst dort gegründeten ornithologischen Vereinigungen, andererseits auf den damaligen wohl noch vorhandenen Lebensraum für die Art zurückzuführen.
2.2. Gründe für das Erlöschen der Art
Die vielen Abschüsse zeigen welche Einstellung die Menschen im
19. Jh. gegenüber dem Schwarzstorch hatten. Während der Weißstorch
als Glücksbringer angesehen wurde, wurde der Schwarzstorch, ebenso
wie in unseren Nachbarländern, als Fischkonkurrent gnadenlos verfolgt
(Hormann, 1998). Außerdem war es für diese Zeit nicht außergewöhnlich,
Nachweise einer besonderen Art per Abschuss zu belegen.
Parallel dazu wurden wohl auch die ungestörten Brutmöglichkeiten kleiner. Dies durch die Abholzung alter Laubwälder für die Holzkohleherstellung sowie für die Stahlindustrie. Hinzu kam eine hohe Frequentierung der Wälder, durch z.B. Brennholzsuchende oder die Schweinemast im Wald (Hormann & Richarz, 1996).
Von 1920 bis 1963 gibt es trotz steigendem Interesse an der Ornithologie keine Beobachtungen, aber auch keine Abschüsse mehr zu melden. Der Schwarzstorch brütete bis Anfang der 20er Jahre im benachbarten Belgien (Jadoul, 1994). Danach erlosch, wie im fast ganzen westeuropäischen Raum auch dort der Bestand (Stradzs, 1992).
3. Die Besiedlung
3.1. Bestandsentwicklung
Mitte dieses Jahrhunderts stiegen die im Osten übriggebliebenen
Restbestände des Schwarzstorchs stark an. Hierfür waren vor allem
die groß angelegten Entwässerungssysteme, sowie die Wiedereinbürgerung
des Bibers in Lettland verantwortlich. Hier versuchte man durch eine sozialistische
Planwirtschaft die Moore mit Gräben zu entwässern. Durch deren
schlechten Unterhalt und die Überschwemmung großer Flächen
durch die angelegten Dämme des zunehmenden Bibers, verbesserten sich
die Nahrungsbiotope des Schwarzstorches um ein Vielfaches und es kam zu
einer starken Zunahme der Bestände (Stradzs, 1996).
Als die maximale Bestandsdichte in Lettland erreicht war,
erweiterte der Schwarzstorch sein Brutareal zusehends nach Westen hin.
Die damit verbundene Verschiebung der Zugrichtung über Gibraltar,
dürfte für die relativ schnelle Ausdehnung ebenfalls eine Rolle
gespielt haben (Stradzs, 1996). Der Verfolgungsdruck war in der Zwischenzeit
durch die Aufklärung für den Artenschutz kleiner geworden. Die
Wälder waren in Bezug auf Alter und Ruhe wieder optimaler zum Brüten.
Ab 1963 gab es wieder Beobachtungen der Art in unserem
Land: 3 Ex bei Asselborn am 15.09.1963, wovon ein immatures Ex verendete
(N. Paler, J. Glod) und am 29.05.1966 flog ein 1 Ex. bei der Kalbornermühle
(Heinerscheid) Richtung Osten. Des weiteren folgten am 13.08.1966 1 immat.
Ex. bei Colpach und am 20.04.1967 wurde ein Ex zwischen Calmus und Kapweiler
in einer verschilften Wiese gesehen. Anfang der 70 Jahre konnte man eine
deutliche Zunahme der Beobachtungen feststellen. Insgesamt liegen aus dem
Zeitraum (1973-1984) bereits 23 Beobachtungen vor.
Eine weitere wichtige Etappe für die Ansiedlung war 1985 als zum erstenmal Schwarzstörche in Luxemburg übersommerten, jeweils ein Vogel in den Kantonen Clervaux und Diekirch. Aufgrund verschiedener Beobachtungen kann man davon ausgehen, dass es vielleicht bereits Ende der 80er, zumindest aber Anfang der 90er Jahre vereinzelte Bruten gab (N. Paler, J. Weiss).
Bemerkung: Die Anzahl der beobachteten Schwarzstörche
(669) dürfte in Wirklichkeit niedriger sein, da die Schwarzstörche
ein sehr grosses Territorium haben. Einige Tiere wurden daher bestimmt
an verschiedenen Standorten beobachtet und mehrmals gezählt.
Tabelle 2: Anzahl der Schwarzstorchbeobachtungen aus dem Zeitraum 1985 - 1996. C. Heidt
3.2. Brutnachweise und Brutresultate des Schwarzstorches
von 1993 – 2000
Der erste Brutnachweis des Schwarzstorches gelang 1993,
als ein besetzter Horst im Kanton Clervaux entdeckt wurde. Alle Brutnachweise
werden in folgender Tabelle aufgeführt:
Jahr | Kanton | Brutrevier | Horst | Ausgeflogen | Eingegangen | Beringt |
1993 | Clervaux | Revier A | A1 | 4 | ||
1994 | Diekirch | Revier B | B1 | 3 | ||
1995 | Diekirch | Revier B | B1 | 3 | 1 | |
1996 | Diekirch | Revier B | B1 | 3 | 1 | |
1996 | Clervaux | Revier C | C1 | 3 | ||
1997 | Diekirch | Revier B | B2 | 4 | 4 | |
1997 | Wiltz | Revier D | D1 | 2 | 2 | 2 |
1998 | Diekirch | Revier B | B2 | 4 | 4 | |
1998 | Clervaux | Revier A | A2 | 3 | ||
1999 | Clervaux | Revier A | A3** | 4 | 4 | |
1999 | Clervaux | Revier C | C1 | 2 | ||
1999 | Wiltz | Revier D | D2 | 2 | 1 | 3 |
1999 | Diekirch | Revier B | B2 | 3 | 3 | |
2000 | Clervaux | Revier A | A4 | 2 | 1 | |
2000 | Clervaux | Revier C | C1 | 3* | 3 | |
2000 | Clervaux | Revier (D) | D3 | 4 | 4 | |
2000 | Diekirch | Revier B | B2 | 4 | 4 | |
Total | 3 | 4 | 10 Brutplätze | 54 | 6 | 31 |
Tabelle 3: Brutnachweise und –resultate aus dem Zeitraum 1993
– 2000.
* ein Jungvogel erlitt Flügelbruch beim Horstabsturz;
** Kunsthorst
Von 1993 – 2000 konnten insgesamt 17 erfolgreiche Bruten auf 10 verschiedenen Horsten nachgewiesen werden, wobei 54 Jungvögel ausflogen. Dies ergibt einen guten Schnitt von 3,17 ausgeflogenen Vögeln pro Brut. Lediglich für einen bekannten Brutplatz (C1) gab es 1997 während der Brutsaison eine Aufgabe durch eine menschliche Störung (vermutlich Horstbeschuss).
Da sich die Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga an dem
internationalen Forschungsprogramm „Cigognes sans frontières“, auf
das wir im nachfolgenden Beitrag zurückkommen werden, beteiligt, wurden
die meisten Jungvögel am Horst mit Farbringen beringt.
Die Brutresultate zeigen, dass die Nahrungsgrundlage und das Potential
an Bruthabitaten in Luxemburg noch relativ gut sind. In den 4 bisher nachgewiesenen
Brutrevieren gab es von 1993 – 98 jedes Jahr nur 1 oder 2 Brutnachweise.
Der Grund hierfür ist vor allem der alljährliche Horstwechsel
im Privatwald, auf den wir später noch eingehen werden. In den Jahren
1999 und 2000 gelangen Brutnachweise in allen 4 Revieren. 1999 wurde ein
Horstfund im Kanton Redingen gefunden, der aber in diesem Jahr nicht besetzt
war.
Der geschätzte Brutbestand liegt bei 4 – 7 Paaren.
3.3 Brutnachweise, Revierangaben und Beobachtungsdichte in den Kantonen von 1985 - 2000
Karte 1: Der Schwarzstorch in Luxemburg auf Kantonebene (1985
– 2000). M. Jans, M. Moes
Luxemburg ist zwar nur ein kleines Land, das jedoch mitten in der für die Art attraktiven Ardennen-Eifel-Region liegt. Man darf davon ausgehen, dass unser Land mit derzeit 4 – 7 Brutpaaren, bzw. 10 – 12 anzunehmenden Revierpaare und deren grenzüberschreitenden Nahrungsbiotope eine sehr wichtige Rolle für die Art in Westeuropa spielt.
4. Brutbiologie
4.1. Rückzug
Die Rückkehr unserer Brutvögel aus ihren Überwinterungsgebieten,
die sich in Westafrika (der Sahelzone u.a. vom Senegal bis Nigeria) befinden,
erfolgt in der Regel im März, selten bereits Ende Februar (G. Jadoul,
mündl.). Die frühesten Beobachtungen von Vögel waren:
6.03.98 | 2 Ex in einer Talwiese im Zentrum (M. Frising) |
7.03.98 | 1 Ex im Brutrevier im Norden (G. Jadoul) |
09.03.97 | 1 Ex im Flug im Norden (J-P Schmitz) |
13.03.99 | 1 Ex in einer Wiese im Zentrum (M. Frising) |
16.03.99 | 1 Ex in einer Feuchtwiese im Norden (John Schmitz) |
Die ersten Beobachtungen am Horst aus 3 verschiedenen Revieren bestätigen
dass es sich hierbei um einheimische Vögel gehandelt haben dürfte:
18.03.99 | 16.00 Uhr | Beide Altvögel stehen auf dem Horst (Norden) |
30.03.99 | 11.00 Uhr | Beide Altvögel stehen auf dem Horst (Norden) |
30.03.99 | 18.00 Uhr | 1 ad brütet, der Horst ist bereits stark bekalkt (Zentrum) |
4.2. Balz und Reviersuche
Außer vom 01.04.1999, wo 2 Exp. bei Balzflügen im Zentrum
beobachtet wurden (T. Conzemius, mündl.), ist nichts von revieranzeigenden
Vögel während Brutzeit bekannt, was auf das diskrete Verhalten
der Art und ihren großen, unüberschaubaren Lebensraum zurückzuführen
ist.
Da die gezielte Suche nach balzenden resp. kreisenden Vögel über potentiellen Waldgebieten für eine Bestandsaufnahme der Brutreviere oft im Ausland vorgeschlagen wird (M. Hormann, mündl.), wird mit dieser Methode in Zukunft mit neuen Revierfunden zu rechnen sein.
Da mit den ersten nichtbrütenden immaturen Störchen in der Regel erst ab Mitte April zu rechnen ist, ist jede Beobachtung der Art vor dieser Zeit für die Bestandseinschätzung von großem Wert (G. Jadoul, mündl.).
1999 kam im Herbst die Meldung, dass ein Jäger über einen uns bekannten Brutplatz, Videoaufnahmen über den ganzen Brutablauf gemacht hatte. So beinhaltet dieses (illegale und nicht zur Nachahmung empfohlene) Dokument u.a. den Bau des Horstes, die Balz mit viel flötendem Gesang, die Kopulation der Vögel auf dem Horst, sowie den restlichen erstaunlichen Brutverlauf, bis hin zum natürlichen Absturz des Nestes. Die Balz und der Brutbeginn variiert beim Schwarzstorch je nach Paar (jung oder erfahren), Revier- und Horstwahl (neu oder alt), Wetterlage und Störungen (später Revier- resp. Horstwechsel) sehr stark und schwankt von Mitte März bis Anfang Mai.
4.3. Brutverlauf
Brutbeginn | |||
Zentrum | 30.3.1999 | Altvogel brütet | 1. Aprildekade |
7.6.1999 | 3 pull (Alter: 2 – 3 Wochen) zu sehen | ||
Norden | 31.3.1999 | Altvogel brütet | 2. Aprildekade |
30.5.1999 | 1 pull (Alter < 5 Tage) zu sehen | ||
Norden | 5.4.1999 | Altvogel brütet | 1. Aprildekade |
19.5.1999 | 1 pull (Alter < 5 Tage) zu sehen | ||
Zentrum | 9.5.1998 | Altvogel brütet | 1. Aprildekade |
19.5.1998 | 1 pull (Alter 5 Tage) zu sehen | ||
Norden | 24.5.1997 | min. 2 pull (Alter < 5 Tage) zu sehen | 1. Aprildekade |
Norden | 31.5.1997 | 1 pull (Alter < 5 Tage) zu sehen | 2. Aprildekade |
Tabelle 4 Brutverlauf mit errechnetem Brutbeginn einzelner Brutpaare in Luxemburg.
Die Kontrollen am Brutplatz wurden auf ein Minimum beschränkt und dienen vor allem der Erkennung von Brutaufgaben resp. der möglichen Störungen im Umfeld des Brutplatzes. Auf eine gezielte brutbiologische Erforschung beim Horst wurde bewusst verzichtet.
Trotzdem sind inzwischen eine ganze Reihe Details bekannt: während der Nacht brütet nur das Weibchen, das Männchen schläft stehend daneben oder in der näheren Umgebung. Am Tag wird gewechselt, jedoch übernimmt das W. den größten Teil des Brutgeschäfts (G. Jadoul, mündl.).
Auf dem bereits erwähnten Film ist ebenfalls die Fütterung vom brütenden Weibchens durch das Männchen zu sehen. Nach dem Schlüpfen bleibt zumindest in den ersten 10 - 15 Tagen ein Altvogel bei den Jungvögeln, um sie vor Wettereinflüssen und Beutegreifern zu schützen. Die 3-8 Fütterungen resp. Wechsel der Altvögel dauerten in der Regel nur sehr kurz. In den ersten 4 Wochen können je nach Wetterlage und Nahrungsvorkommen einige Jungvögel verenden.
Im Alter von 3-4 Wochen werden die Jungvögel beringt, dabei konnte bisher nur einmal ein taubes Ei gefunden werden.
4.4 Nestlingszeit und Ausflug der Jungvögel
Nach etwa 65 Tagen Nestlingszeit erkunden die Jungstörche zuerst
das Horstumfeld und fliegen dabei gerne stehendes Totholz an oder stehen
unweit vom Horst am Boden. Wenn, wie in drei Fällen bekannt wurde,
der Horst gegen Ende der Brutzeit abstürzt und die Jungvögel
überleben, so werden diese am Boden resp. auf in der Nähe befindlichen
Erhebungen (Jagdkanzel, Holzstapel, etc) weitergefüttert.
Die stärksten Jungvögel beginnen ab Ende Juli mit den Altvögeln ihre ersten Segelflüge. Zur (Bei-)Fütterung und zum Schlafen kehren die Vögel aber noch rund eine Woche zum Horst zurück. Nach einigen Ausflügen in die nähere Umgebung, können schon in den ersten Tagen beachtliche Entfernungen zurückgelegt werden. So flogen die zwei 1997 mit Sendern ausgestatteten Jungvögel beim ersten gemeinsamen Familienausflug und idealem Wetterverhältnissen aus dem Norden Luxemburgs bis unterhalb von Bonn (120 km NE). (G. Jadoul, mündl). Ein bei Dijon (Frankreich, Entfernung etwa 270 km) beringter Jungvogel, der vom 1. bis 4. August 2000 im Roeserbann bei Bivange (im Süden Luxemburgs) beobachtet wurde und einen Farbring trug, wurde noch drei Tage zuvor mit seinen Geschwistern auf dem Horst beobachtet (G. Jadoul, mündl; P. Lorgé).
Mitte August löst sich der Familienverband auf. Bei den schon erwähnten beiden Jungstörchen war drei Tage nach ihrem Aufenthalt bei Bonn einer bereits in der Eifel, der andere in Nord-Frankreich.
Öfters wurden um diese Zeit beringte Jahresvögel mit anderen Alt- resp. immaturen Störchen beobachtet. Dies macht deutlich, dass nicht jede Beobachtung einer Schwarzstorchfamilie im Spätsommer auf eine erfolgreiche Brut in der Gegend hinweist.
4.5 Beobachtungen von unausgefärbten / immaturen Vögeln
Aus der Beringung, resp. der Telemetrie geht hervor, dass nichtbrütende
Störche bereits im zweiten Lebensjahr nach ihrer ersten Afrikareise
aus den Überwinterungsgebieten zurückkehren und in Europa einen
sehr großen Aktionsradius haben: So wurden z.B. im Sommer 1999 mehrmals
zwei 1998 im Ausland als Nestjunge beringte Schwarzstörche im Norden
Luxemburgs beobachtet: einer war in Belgien beringt worden, der andere
trug einen französischen Ring. Dies lässt darauf schließen,
dass die unausgefärbten Vögel in Europa ein Revier oder einen
Partner für das kommende Jahr suchen.
Aber auch eine gewisse Zuneigung zu der Aufwuchsregion lässt sich anhand der Farbberingung bestätigen. So wurden 2 von 4 im Jahr 1999 am Horst beringte Jungvögel den ganzen Sommer 2000 bis zum Wegzug hindurch im elterlichen Brutrevier beobachtet. Des öfteren konnten die beiden Vorjahresvögel beim Fischen und Ruhen zusammen mit einem Elternteil und auch mit den diesjährigen Jungvögeln beobachtet werden.
4.6 Herbstbalz
Anhand der Sender, konnte bei einem im Norden des Landes brütenden
Paares belegt werden, dass die beiden Altvögel bereits im Herbst einen
neuen Horst (in diesem Fall einen Kunsthorst) erkundeten, darauf balzten
und das Nest sogar ausbauten (G. Jadoul, mündl.).
4.7 Wegzug
Ansammlungen von Schwarzstörchen deuten den Beginn des Herbstzuges
an. Größere Trupps wurden im Spätsommer im Kanton Clervaux
gesichtet z.B. 10 Ex am 6.8.1989 (J-P. Schmitz) sowie am 12.8.1989 (P.
Bertemes), 22 Ex am 25.8.1991 (J-P Schmitz), 9 Ex am 15.7.1995 (J-P. Schmitz)
und aus dem Kanton Wiltz: 16 Ex am 7.8.1999 (M. Jans, P. Lorgé)
In der Regel treten Jungvögel ihre erste Reise rund einen Monat früher als die Altvögel an (G. Jadoul, mündl). Unsere Brutvögel verlassen ihre Reviere in der Regel in der zweiten Septemberhälfte.
Bei späteren Beobachtungen handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit
um Durchzügler (G. Jadoul, mündl). Späteste Beobachtungen
sind in folgender Tabelle wiedergegeben:
5.11.1999 | 1 Ex zieht über Reckange/Mess (P. Felten) |
7 + 13.11.1998 | 1 Ex Tadler – Todlermillen (M. Kaiser) |
19.11.1998 | 1 Ex zieht über Boulaide (Mme Thys-Kramer) |
Unsere Vermutung, dass vor allem das Oeslinger Hochplateau (Kanton Clervaux) für die nördlichen Bestände (vor allem aus Norddeutschland) eine große Bedeutung insbesondere als Rast- und Nahrungsbiotop hat, wird durch das Beringungs- und Telemetrieprogramm untermauert. Dieser Region sollte in unmittelbarer Zukunft größte Aufmerksamkeit hinsichtlich der Schutzmaßnahmen zugeteilt werden.
5. Lebensraum
5.1. Nahrungshabitate
Der Schwarzstorch ist hinsichtlich der Nahrungssuche viel stärker
an das Wasser gebunden als z.B. der Weißstorch. Hinzu kommt, dass
der sogenannte Waldstorch eine gewisse Scheu vor dem Menschen hat, und
deshalb auf genügend Ruhe, vor allem während der Brutzeit angewiesen
ist. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass vor allem der Norden Luxemburgs,
mit seinem ruhigen und wasserreichen Ardennengebiet, dem Storch eine gute
bis sehr gute Nahrungsgrundlage bietet.
Vergleich mit der Beobachtungskarte auf Seite 20: Der Südwesten
Luxemburgs ist am stärksten besiedelt und zugleich am schwächsten
bewaldet. Deswegen sind die Fliessgewässer hier stark belastet, sodass
die Bachforelle Salmo trutta f. fario und die Groppe Cottus gobio
hier fast fehlen (Administration des Eaux et Forêts, 1998). Das waldfreie
Oeslinger Hochplateau ist dagegen (zur Zeit noch) dünn besiedelt,
hat einen hohen Anteil an ruhig gelegenen Feuchtwiesen und –weiden, sowie
einen relativ guten Fischbestand.
5.2. Nahrungsbiotope des Schwarzstorches in Luxemburg
Diese Angaben beziehen sich auf die Beobachtungen der Jahre 1988 bis
1999:
35 % ruhige Talwiesen mit kleinen relativ sauberen Bächen,
die größtenteils von Wäldern umgeben sind (z.B. Trottenerbach,
Blees, Wark, Woltz)
25 % mehr oder weniger ruhige Feuchtwiesen (mit Gräben),
die z. T. auch in offener Agrarlandschaft liegen
20 % Täler mit größeren Fließgewässern
(u.a. Clerf, Wiltz, Our, Sauer, Attert)
10 % angelegte Naturteiche und Tümpel
5 % nasse Waldlichtungen, sowie 5 % andere Biotope
5.2. Nahrung
Der Schwarzstorch ist ein Nahrungsopportunist, d.h. er kann sich auf
die jeweilig verfügbare Nahrung einstellen. Wichtig ist nur die ausreichende
Bio-Masse während der Brutsaison. Hierfür spielt die Jahreszeit
in Verbindung mit dem Klima (z.B. Niederschlagmenge) eine bedeutende Rolle
(G. Jadoul, mündl). So werden nach der Rückkehr aus dem Überwinterungsgebiet
vor allem Amphibien und Lurche erbeutet. Danach werden je nach Wasserstand
der Bäche und Flüsse immer mehr Fische und Wasserinsekten gesucht.
Bei den Fischen fallen vor allem Groppe und Schmerle ins Gewicht. Aber
auch die Bachforelle ist je nach Jahreszeit, Besatz und Verfassung der
Fische von Bedeutung (G. Jadoul, mündl).
Weißfische (Elritze, Gründling und Rotauge) werden gerne im Hochsommer aus größeren Bächen und Flüssen erbeutet. Käfer, Heuschrecken und vereinzelt kleine Nagetiere ergänzen das Nahrungsangebot. Das Nahrungsrevier wird in der Regel bis maximal 10 km vom Brutplatz entfernt genutzt.
5.3. Bruthabitate
Luxemburg hat einen Waldanteil von 32 % der Landesfläche wobei
vor allem der Norden mit seinen tiefen eingeschnittenen Tälern am
stärksten bewaldet ist. Hier überwiegt der Privatwaldanteil gegenüber
dem öffentlichen Wald, wodurch sich meistens viele kleine verschiedenartige
Waldgesellschaften, aber auch monotone Wirtschaftswälder mit hohem
Nadelholzanteil sowie Niederwald ergeben. Im Gutland hingegen überwiegt
der öffentliche Wald mit hauptsächlich Rotbuchen- und Eichenwäldern.
Die erste Voraussetzung für die Wahl eines Brutreviers ist natürlich das ausreichende Nahrungspotential, obwohl die Hauptnahrungsgebiete durchaus mehr als 5 km vom Brutplatz entfernt liegen können. Der zweite wesentliche Faktor ist die Ruhe am Horstplatz. Auch wenn der Norden wegen seiner niedrigeren Bevölkerungsdichte ruhiger erscheint als das Zentrum, so gab es dort bisher mehr Störungen weil die Wälder von mehr Waldbesitzern genutzt und damit für die Brut gestört werden kann.
Danach spielt ein geeigneter Horstbaum in Verbindung mit einer diskreten
Anflugmöglichkeit und der bevorzugten warmen Exponierung eine Rolle.
Der Horst des Schwarzstorches ist an seiner meistens typischen Bauweise
auf einem starken Seitenast, an seiner Größe (Durchschnitt 1
bis 1,5 Meter), sowie an der Dicke des Horstmaterials recht leicht zu erkennen.
Sehr wahrscheinlich wurden alle 10 bisher entdeckten Horste von Schwarzstörchen
selbst gebaut.
Gegenüber dem Ausland, wo er nicht selten Greifvogelhorste (aus
Mangel an Horstbäumen ?) annimmt, deutet dies auf noch genügend
potentielle Brutplätze hin. Lediglich einer der Horste (Kanton Clervaux)
wurde nie zur Brut genutzt. Möglicherweise handelt es sich um einen
Ausweichhorst.
5.3.1. Gewählte Horstbäume
Die Horstbäume müssen ein gewisses Alter haben um die Nester
tragen zu können; sie müssen des weiteren genügend Freiraum
bieten um den Anflug und die immer auf dem Horst stattfindende Kopulation,
sowie die Fütterung zu ermöglichen.
Baumart | Anzahl | |
Traubeneiche (Quercus petraea) | 5 | davon 3 im Norden und 2 im Zentrum |
Rotbuche (Fagus sylvatica) | 5 | alle im Norden (einschl. Ersatzhorst) |
In Luxemburg wird die Eiche gegenüber der Buche (welche im Norden
stärker vorhanden ist) bevorzugt, da diese für die Anlage des
Nestes durch starke, horizontale Äste unterhalb der Krone am geeignetesten
ist. Die Tatsache, dass alle 4 natürlichen Bruthorste auf Rotbuchen
bereits heruntergestürzt sind, verstärkt diese These. Grosses
Glück hatten die Jungvögel zweier Bruten 1998 und 1999, da der
Horst durch das zunehmende Gewicht (durch Nässe bedingt, da der Schwarzstorchhorst
gegenüber dem des Weißstorches im Wald das Wasser aufsaugt)
am Ende der Aufzucht herunterstürzte, so dass die Vögel teilweise
am Boden oder auf einer Jagdkanzel weiter gefüttert wurden. Beim Absturz
eines Horstes im Jahr 2000 erlitt ein Jungvogel einen Flügelbruch.
5.3.2. Kunsthorste, eine sinnvolle Ergänzung ?
Im Frühjahr 1998 wurden 2 Kunsthorste auf Buchen im Norden angelegt,
wobei beide bereits im Herbst des selben Jahres von den Altvögeln,
die ihren Horst am Ende der Brutzeit verloren hatten, inspiziert und ausgebaut
wurden. Wie bereits erwähnt, wurde dann auch einer von beiden 1999
angenommen. Ob die Zielsetzung wie im Ausland, nämlich die An- resp.
Umsiedlung der Vögel auf sichere Horste in störungsfreien Waldteilen,
für Luxemburg angebracht ist bleibt zu diskutieren. Auf keinen Fall
darf dadurch der eigentliche Biotopschutz vernachlässigt werden.
5.4 Ergebnis zur Standorttreue in öffentlichen und privaten
Wäldern
Im öffentlichen Wald | Im Privatwald |
6 erfolgreich nachgewiesene Bruten auf 2 verschiedenen Nestern in einem Revier (1994-1999) | 7 erfolgreich nachgewiesene Bruten auf 6 verschiedenen Nestern in 3 Revieren |
Die Horste wurden im öffentlichen Wald auf besser geeigneten Bäumen in störungsärmeren Gebieten erbaut als im Privatwald. Die Sicherung oder Optimierung der Brutplätze ist im öffentlichen Wald wesentlich einfacher als im Privatwald. Gute Zusammenarbeit und Vertrauen auf diskreter Basis mit vor allem den Förstern ist deshalb sehr wichtig.
6. Danksagung
Um an dieser Stelle das Unmögliche möglich zu machen (d.h. niemanden zu vergessen), sei, ohne Namen zu nennen, all denen die auf irgendeine Weise zu diesem Artikel, besonders aber zu dem erfolgreichen „Comeback“ des Schwarzstorchs in der Ardennen-Eifel-Region beigetragen haben, gedankt. Das Antreffen des Schwarzstorchs als Brutvogel hier im Land ist für uns alle der Lohn für die viele Arbeit der vergangenen Jahre und ein Ansporn für die Zukunft.
7. Literatur
ADMINISTRATION DES EAUX ET FORETS, Service Chasse et Pêche
(1998): Die Fische in Luxemburg
ALTMOOS, M: Der Schwarzstorch im Biosphärenreservat
Rhön: Beispiel für die Umsetzung von Artenschutz in Regionen
und ihren Wirtschaftswäldern.
BELA, J. (1992): Über den Schwarzstorch in Ungarn.
Umwelt und Naturschutz im Kreis Minden – Lübbecke. Tagungsband März
1992.
BRAUNEIS, W. (1996): Ornithologische Mitteilungen, Nr.
7 Jahrgang 48
DORNBUSCH, Dr. M. & G. DORNBUSCH (1994): Schwarzstorch
Information, Staatliche Vogelschutzwarte Steckby
DORNBUSCH, Dr. M. (1992): Zur Situation des Schwarzstorchs
in Mitteleuropa. Umwelt und Naturschutz im Kreis Minden – Lübbecke.
Tagungsband März 1992.
HAUF, P. (1992): Habitatstrukturen von Schwarzstörchen
in Westmecklenburg. Umwelt und Naturschutz im Kreis Minden – Lübbecke.
Tagungsband März 1992.
HORMANN, M., K. RICHARZ (1996): Schutzstrategien und
Bestandsentwicklung des Schwarzstorchs in Hessen und Rheinland-Pfalz. Ergebnisse
einer Fachtagung. Vogel und Umwelt 8. Seite 275 – 286.
HORMANN, M. (1998): Biologie, Bestandsentwicklung und
Schutz des Schwarzstorchs in Mitteleuropa. Zusammenfassung des Vortrages
anlässlich des Schwarzstorch Seminars im Oktober 1998 in Luxemburg.
JADOUL, G. (1994): La Cigogne noire. Editions du Perron
JADOUL, G. (1998): Science et Nature Spécial:
La Cigogne noire.
JANSSEN, G. & J. Koch (1996): Besiedlung Schleswig-Holsteins
durch den Schwarzstorch von 1974 – 1995.
NOTTORF, M. (1992): Schwarzstorchschutz in Niedersachsen.
Umwelt und Naturschutz im Kreis Minden – Lübbecke. Tagungsband März
1992.
SACKL, P. (1992): Aktuelle Situation, Reproduktion und
Habitatansprüche des Schwarzstorchs. Umwelt und Naturschutz im Kreis
Minden – Lübbecke. Tagungsband März 1992.
STRADZS, M. (1992): Die Änderungen der Nahrungsbiotope
der Schwarzstörche in Lettland und deren möglicher Einfluss auf
die Schwarzstorchpopulation Lettlands und Europas. Umwelt und Naturschutz
im Kreis Minden – Lübbecke. Tagungsband März 1992.
Zeichnung Sonnie Nickels, 2000