LNVL  -  Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga asbl

Landschaft schmaacht

Die Essgewohnheiten des Menschen in Europa haben nie zuvor so rasant geändert wie in den letzten zwanzig Jahren. Unbekümmert hat unsere Gesellschaft ein wesentliches Feld unserer Lebensweise, das unserer Ernährung, der Lebensmittelindustrie überlassen, hat sich schrittweise vom Durchblick in Produktions- und Verarbeitungsmethoden entfernt, und sich voll Vertrauen auf die Wissenschaftlichkeit der Agroindustrie verlassen.

Es gab nach dem zweiten Weltkrieg europaweit zwei Tendenzen in der Agrarpolitik:
Einerseits war es die Überzeugung der Agrarwissenschaftler, dass nur eine moderne, kompetitive Erzeugung der Grundlebensmittel allen Menschen in der europäischen Union genügend Nahrung zu einem erschwinglichen Preis zur Verfügung stellen könnte. Dieses Ziel wurde erreicht und sogar übertroffen. So wurde im letzten Jahrhundert das Gesamtvolumen der landwirtschaftlichen Produkte in Europa um den Faktor 2,5 multipliziert, während die aktive Bevölkerung in der Landwirtschaft um den Faktor 4 dividiert wurde. Ein recht ansehnliches Resultat für den Konsumenten, der vergleichsweise immer weniger für seine Nahrungsmittel ausgeben musste (1950 waren es im Durchschnitt 50% des Einkommens, 2000 sind es 13%).
Andererseits waren es insbesondere Produzenten und Konsumenten in Ländern wie Frankreich, Österreich und Schweiz, die neben dieser Zielsetzung eine zweite Annäherung suchten, nämlich die qualitätsorientierte, landschaftsgebundene Vielseitigkeit in der Produktion.

Heute wird unsere Ernährung grob gesehen von zwei Lagern beeinflusst:
- die Megaproduzenten Amerika, Kanada, Argentinien, Australien, Neuseeland glauben, dass es dem Produzenten egal sein kann, wo die Bestandteile seines Menüs produziert werden. Hauptsache ist, dass die verarbeitende Industrie es zustandebringt, die richtigen Geschmackswünsche des Konsumenten ausfindig zu machen und sie in das jeweilige Endprodukt zu integrieren. Viele Wissenschaftler und Ökonomen wollten den „typischen Verbraucher“ definieren, um so eine einheitliche Grundpalette von Nahrungsmitteln zu niedrigen Preisen in allen Ecken der Welt anzubieten.
- Die Auffassung der meisten Europäer, die auch ansatzweise von der neuen GAP (Gemeinsame Agrarpolitik) unterstützt wird, geht in eine andere Richtung. Vermehrt wird wieder Landwirtschaft mit Bodenständigkeit, sozialem Umfeld, Tourismus, Kultur und Ökologie in Zusammenhang gebracht. Die Charakteristiken der doch so unterschiedlichen Gegenden, Böden, Naturräume, Menschentypen u.a. sollten gewahrt bleiben und valorisiert werden.

In diesem Spannungsfeld stehen sich Globalisierung und Regionalisierung so krass wie kaum sonstwo gegenüber.
Für viele Menschen, hauptsächtlich die Großstadtbewohner, bedeutet Essen den vielleicht einzigen Bezug zur Natur, den sie in einem hochmodernen, technisierten Umfeld noch einige Male am Tag mit allen Sinnen haben. Versuche, diese doch eingeborene Naturverbundenheit zu beseitigen, mißlangen. Man denke nur an die verfehlten Projektionen der Fünfzigerjahre, unsere Nahrung im Jahre 2000 würde hauptsächlich aus Astronautenkost oder Nahrungspillen bestehen.
Nein! Nahrung hat sicher etwas mit Lokalkolorit zu tun. Nahrung hat mit der Landschaft zu tun, in der sie produziert wird: „Landschaft schmeckt“. Wie eintönig wäre doch ein Ferienaufenthalt in anderen Ländern, könnte man sich nicht wenigstens einmal am Tag an einer regional produzierten Kost ergötzen. Hat man dann noch die Gewissheit, dass hinter den Regionalprodukten der Stolz einer Bauernschaft steht, ihre Landschaft in ihrer ganzen Vielfalt, mit allen gestaltenden Elementen und damit der faunistischen und floristischen Einzigartigkeit zu erhalten, so schmeckt das Angebot doppelt gut.

Die Luxemburger Landwirtschaft hat keine Wahl. Sie kann nicht mit den Megaproduzenten mitpokern, denn deren klimatischen, flächenrelevanten, sozialen und politischen Gegebenheiten sind anders gelagert. Luxemburg muss zusammen mit allen Ländern der EU auf die regionale, naturgebundene Landwirtschaft setzen. Dabei kann es nur Gewinner geben: Produzenten bekommen einen fairen Lohn für Produkt und Landschaftspflege, Konsumenten erhalten kontrollierte Produkte aus einem erhaltenswerten Umfeld, Natur und Landschaft bewahren die Vielfalt, die von tausenden Besuchern aus dem Ausland so hoch geschätzt wird.
Regionalität hat Zukunft und ist die vielleicht einzige Antwort auf eine entfremdende Globalisierung. Der Konsument muss die Herausforderung erkennen, und entsprechend handeln. Die Landschaft, in der er lebt, kann ihm nicht gleichgültig sein. Sie verlangt vielleicht einen kleinen Mehrpreis, aber einen Mehrpreis der sich lohnt. Der Konsument hat in den letzten Jahren mehrfach gezeigt, dass er sich auf dem Gebiet seiner Ernährung nicht überrumpeln läßt, er kann es auch in Bezug auf den Erhalt seiner Landschaften. Landschaft geht eben durch den Magen. „Landschaft schmaacht“!

Pit Mischo
Präsident der Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga



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